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Des (Staffel 1)

Wir wissen alle, wie ein klassischer Krimi abläuft. Es wird eine Stadt vorgestellt, ihre Personen, das Opfer, die ermittelnden Behörden. Das Opfer verschwindet und die Polizei und verdächtigt erst mal alle möglichen Leute im Umkreis des Opfers, bis sich ein überraschender Täter offenbart. Ein typischer "Whodunnit" laut Lehrbuch. "Des" geht hier einen ganz anderen Weg. Während sich der durchschnittliche "Tatort"-Mörder damit zufrieden gibt, der Polizei Lügen zu erzählen oder sogar versucht zu fliehen, macht es Dennis "Des" Nilsen ganz anders. Er sorgt persönlich dafür, dass die von ihn beseitigten Leichenteile in der Dachrinne entdeckt werden und zeigt sich der Polizei gegenüber kooperativ, ja sogar jovial. Locker sitzt er auf dem Präsidium und schildert ohne Anwesenheit eines Verteidigers seine Gräueltaten und kann es sich nicht nehmen lassen, der Polizei entscheidene Einzelheiten vorzuenthalten. Warum? Weil es ihm offensichtlich Spaß macht. Und da man sich nicht mit einem formelhaften Whodunnit herumschlagen muss, konzentriert sich die Serie voll und ganz auf die Morde, auf die Aufarbeitung der Fälle vor Gericht und auf Des selbst. Des tötete seine Opfer immer auf die gleiche Weise: in den Schwulenpubs Londons suchte er nach obdachlosen oder ziellosen jungen Männern, die aus dem ganzen Land auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt strömten. Die Handlung fällt in die Thatcher-Ära, viele wurden vom Erfolg angelockt, rutschten jedoch in Armut und Drogensucht ab. Und genau diese verlorenen Seelen gibt Des etwas Warmes zu essen und ein Bett - und auch einen gewaltsamen Tod durch Strangulierung. Die Beschreibung der Polizeiarbeit ist schön und gut aber der interessanteste Teil der Serie befasst sich mit dem Mörder selbst. Des ist ein narzistischer Psychopath. Alleine die Tatsache, dass er sich selbst entlarvte und auch noch mit seinen Opfern prahlte, zeigt, dass er für seine Taten als Mörder wahrgenommen werden möchte. Dies zeigt sich auch, als der Autor Brian Masters beschließt, eine Biografie über Des zu schreiben. Der Mörder blüht regelrecht auf, gibt zahlreiche Interviews und hinterlässt seinem Biografen seitenweise Einzelheiten über seine Taten. Auch in der Gerichtsverhandlung, die letztendlich zu seiner lebenslangen Inhaftierung führt, spielt er sich als Richter über Leben und Tod auf. Immer bedächtig und kühl sitzt er auf der Anklagebank und hört sich die Schilderungen der Opfer, die mit dem Leben davon gekommen sind, ungerührt an. Dennis Nilsen empfindet keinerlei Empathie für seine Opfer oder gar Reue für seine Taten. Gleichzeitig ist er offensichtlich ein überdurchschnittlich intelligenter und berechnender Mörder, der wohl nicht so schnell gefasst worden wäre, hätte er sich nicht freiwillig der Polizei gestellt. Als ich gehört hatte, dass David Tennant einen Mörder spielen sollte, war ich verwundert, denn ich hatte ihn immer als einen sympathischen Schauspieler abgespeichert. Doch nachdem ich "Des" gesehen hatte war mir schnell klar, dass David Tennant hier die Rolle seines Lebens spielt. Tennant spielt den kaltblütigen Mörder perfekt, verzieht keine Miene und verkörpert eine stoische, gefühllose Präsenz, die einem alleine beim Anblick einen Schauer den Rücken hinunterjagt.

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